Patagonia: Von der Vergangenheit bis in die Gegenwart

Von der Vergangenheit bis in die Gegenwart

Verantwortungsgefühl und Aktivismus als wesentlicher Bestandteil der Patagonia-Philosophie


Text: Ali George Hinkins

Patagonia ist eine dieser Marken, die so ziemlich jedem ein Begriff sind. Entweder besitzt man selbst ein Teil des Brands oder man kennt jemanden, der dies tut – schließlich gehören die Kalifornier seit geraumer Zeit zu den angesagtesten Companies weltweit. Dieses Prestige verdankt Patagonia einzigartigen Designs wie das Snap-T Fleece, ein historisches Item, mit dem sich Adrian Bianco für das HHV Journal auseinandergesetzt hat.

Wenn man im Netz nach den jüngsten Patagonia-Kollektionen sucht, stößt man nicht selten auf Aussagen wie »1% der jährlichen Patagonia-Verkäufe kommen der Erde zugute«. Komm schon, wie viele Brands kennst du, die freiwillig einen Teil ihres Profits dazu nutzen, die Natur zu schützen, indem sie das Grassroots Movement unterstützen? Wenn man ehrlich ist, dürfte die Haltung ein exklusives Merkmal von Patagonia sein.

Durch eine Reihe von Maßnahmen wie die Förderung bewusster Verbraucherentscheidungen, die Verwendung von recycelten und nachhaltigen Materialien sowie die Unterstützung von Umweltprogrammen gestaltet Patagonia die Komplexität, der ein verantwortungsbewusster Verbraucher heute ausgesetzt ist, etwas einfacher. Infolgedessen verfolgt die Marke einen facettenreichen Ansatz, um die Probleme anzugehen, mit denen wir durch Maßnahmen konfrontiert sind, die den Verbrauchern von Patagonia zugänglich sind, ohne ihre Erfahrung mit der Marke zu beeinträchtigen. Patagonias jüngster Film »We The Power« folgt einer Gruppe von Rebellen aus Deutschland, Spanien, Großbritannien und den Niederlanden bei ihrem Versuch, den traditionell monopolistischen Energiesektor zu reformieren und die Macht buchstäblich in die Hände der Menschen zu geben.

Um zu verstehen, inwieweit sich Patagonia dem sozialen und politischen Aktivismus verschrieben hat, müssen wir auf die Anfangszeit des Brands zurückblicken, als man Patagonia nur als die südlichste Region Südamerikas kannte. 1957 begann Yvon Chouinard mit einer gebrauchten Kohlenschmiede, einem 138-Pfund-Amboss, Hämmern und einer Zange vom Schrottplatz, sich selbst das Schmieden beizubringen. Da Chouinard ein leidenschaftlicher Kletterer war, schien es nur natürlich, dass er zunächst seine eigenen Klettergruben aus einer alten Erntemaschine herstellte, die er für 1,50 USD an Freunde verkaufte. In einer provisorischen Werkstatt im Garten seiner Eltern entwickelte Chouinard seine Fähigkeiten als Handwerker weiter, um sich größeren Dingen widmen zu können. 1965 startete Yvon Chouinard gemeinsam mit dem Luftfahrtingenieur Tom Frost das Projekt Chouinard Equipment, unter dem das Duo nahezu jedes Kletterwerkzeug neu interpretierte und verbesserte, um es leichter, stärker, einfacher und funktionaler zu machen. Bis 1970 war Chouinard Equipment der größte Hersteller von Kletterzubehör in den Vereinigten Staaten, aber Chouinard hatte ein Problem mit den Umweltschäden, die durch seine Ausrüstung verursacht wurden, da durch ständiges Hämmern bleibende Löcher und Risse in den Felsen entstanden. Konsequenterweise setzte Chouinard Equipment ein Zeichen und reduzierte das Business auf ein Minimum, was damals ein riskanter Schritt war – gleichzeitig aber das Verantwortungsbewusstsein Chouinards unterstrich. Es war nicht weniger als die Demonstration der Philosophie Patagonias, bei der Ethik an erster Stelle steht.

Die frühen Siebziger Jahren markierten den nahtlosen Übergang von Chouinard Equipment zu Patagonia und man begann strapazierfähige Kleidung herzustellen, die in erster Linie auf die Bedürfnisse von Kletterern abgestimmt war. Den Anfang machte ein langärmeliges Rugbyshirt, das Chouinard aus Schottland mitgebracht hatte. Ihm fiel auf, dass es sich perfekt zum Klettern eignete, da das Material langlebig war und der Kragen verhinderte, dass sich die Hüftgurte in die blanke Haut am Nacken bohrten. Im Jahr 1973 wurde Patagonia im kalifornischen Ventura gegründet, wo bis heute der Hauptsitz des Unternehmens angesiedelt ist. Die Jahre nach Patagonias offizieller Gründung waren geprägt von der Entwicklung innovativer Produkte, bei denen ein vernünftiger und durchdachterer Designansatz im Vordergrund stand, beispielsweise die Art und Weise, wie die verwendeten Materialien produziert wurden. Eines der frühesten und begehrtesten Patagonia-Teile war die Pile Fleece Jacket, die von der robusten Ausrüstung der Fischer inspiriert wurde. Trotz des prompten Erfolgs arbeitete Patagonia unermüdlich daran, die Qualität des Stoffes zu verbessern. Durch eine Partnerschaft mit dem Textilhersteller Malden Mills entwickelte man mit Synchilla ein Material, das leichter war als Wolle, aber besser wärmte und deutlich schneller trocknete – später wurde das Synchilla-Fleece vollständig aus recycelten Fasern hergestellt. Im Laufe der Zeit konzentrierte sich Patagonia auf das Entwickeln von Bekleidung und Accessoires, die ein hohes Maß an Funktionalität vermitteln, ohne der Umwelt zu schädigen.

Das frühe Engagement für verantwortungsvollere Produktion definiert bis heute den Charakter des Brands. Patagonia ist die Funktionalität der eigenen Produkte ebenso wichtig wie der bestmögliche Schutz der Ozeane, Berge und Hügel, auf denen die Produkte zum Einsatz kommen. Patagonia ist eine der wenigen Marken, die sich aktiv mit sozialen und ökologischen Themen befassen. Es ist bei Patagonia jedoch so tief verwurzelt und integraler Bestandteil, dass man mit jedem Item spürt, dass diese Attitüde echt ist. Und Patagonia lässt Taten sprechen: Zum Beispiel 2018, als das Label Steuersenkungen im Wert von 10 Millionen US-Dollar an Initiativen spendete, welche sich für den Schutz von Luft, Land und Wasser einsetzen und nach Lösungen für die Klimakrise streben. Dazu kommt die ständige, aber auf den ersten Blick nicht offensichtliche Optimierung der Nachhaltigkeit bezüglich der eigenen Produkte, wie zum Beispiel das Verwenden von 100% rückverfolgbarer Daunen und das Abdecken des eigenen Strombedarfs in den USA durch erneuerbare Energien.

Auch wenn die Bemühungen und Prinzipien von Patagonia allgemein bekannt sind, möchten wir an dieser Stelle einige Dinge vorstellen: Die meisten von uns sind mit Yvon Chouinards Engagement in der gemeinnützigen Organisation »1% for the Planet« vertraut, in der sie international operierende Unternehmen dazu ermutigen, 1% ihres gesamten Jahresumsatzes an Basisorganisationen zu spenden, um echte Veränderungen auf dem ganzen Planeten zu bewirken. Um die Größenordnung zu verdeutlichen: Seit 1985 hat Patagonia im Rahmen dieser Initiative bereits über 100 Millionen US-Dollar gespendet. Im Jahr 2016 spendeten sie den gesamten »Black Friday«-Erlös in Höhe von insgesamt 10 Millionen US-Dollar an Umweltorganisationen – seitdem hat Patagonia sich geweigert, an den hektischen »Black Friday« -Verkäufen teilzunehmen. Zwei Projekte, die Patagonia sehr am Herzen liegen, sind »Worn Wear« und »ReCrafted«, bei denen Kunden ihre geliebten und abgenutzten Patagonia-Ausrüstungsgegenstände zum Recyceln zurückgeben und als Gegenleistung einen Gutschein für ihren nächsten Einkauf erhalten. Der positive Effekt ist, dass sich dadurch möglicherweise die Lebensdauer eines Kleidungsstücks verlängert, das man normalerweise weggeworfen hätte, wodurch die Umwelt entlastet wird und jemand die Möglichkeit erhält, es weiter zu tragen. Allerdings lohnt es sich nicht bei allen Artikeln, die an Patagonia zurückgehen, sie zu reinigen und zum Wiederverkauf aufzubereiten, sodass unter dem »ReCrafted«-Banner solche Teile zerschnitten und zu neuen Kleidungsstücken verarbeitet werden – diese sind aktuell aber nur in den USA erhältlich.

Vor allem in postindustriellen Ländern, wo wohl die meisten von uns leben, wird der Energiesektor von großen Konzernen monopolisiert, die aus Gründen der Profitoptimierung bei der Stromversorgung auf nicht nachhaltige fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas bauen. Aber jetzt ist die Zeit reif für Veränderungen: Indem Gemeinden in ganz Europa zu Maßnahmen ermutigt werden, durch lokale, von Bürgern betriebene Projekte für erneuerbare Energien das Problem in die eigenen Hände zu nehmen, entsteht ein positiver Effekt für die lokale Wirtschaft durch die Schaffung von Arbeitsplätzen, während die Reduzierung der Energiekosten und der Abhängigkeit von umweltschädlichen Schadstoffen einen positiven Einfluss auf die Umwelt hat. Patagonias »We The Power« Kampagne setzt genau da an; es ist ein 36-minütiger Film, der den Weg von fünf Energiegenossenschaften aus ganz Europa verfolgt, die selbst Maßnahmen ergriffen haben, um ihre Abhängigkeit vom nationalen Stromnetz zu verringern. Die Botschaft ist eindeutig: Durch gemeinsames Engagement können wir alle versuchen, unseren Beitrag zur Investition in unsere Zukunft zu leisten.

Repowering London ist eins dieser Projekte, die in dem Film »We The Power« vorgestellt werden. Gegründet im Jahr 2001 hat sich Repowering London zum Ziel gesetzt, Gemeinden die Möglichkeit zu geben, ihre eigene saubere, lokale Versorgung mit erneuerbaren Energien zu finanzieren, zu organisieren und zu verwalten. 2012 rief das erste kommunale Energieprojekt Großbritanniens zum sozialen Wohnungsbau in Londoner Stadtteil Brixton ins Leben, welches ein Vorbild für Gleichgesinnte darstellte und den Maßstab setzte. Durch Gemeinschaftsprogramme konnten technologische Innovationen gefördert und Praktikanten darin geschult werden, neue Fähigkeiten zu erlernen, während sie gleichzeitig eine nachhaltige Energiequelle für die Gemeinschaften bereitstellten. Daraus resultierend konnte Repowering London die jährlichen Treibhausgasemissionen um 114 Tonnen reduzieren, zudem 532 kWp Solarkapazität bereitstellen und über 150.000 GBP für die lokalen Gemeinden aufzubringen.

Eine weitere inspirierende Geschichte ist die des EWS Schönau. Nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 waren die Bewohner der mitten im Schwarzwald gelegenen Kleinstadt Schönau besorgt über die Strahlung, die sich vom Katastrophenort in weiten Teilen Europas ausbreiten konnte. Einige Leute – hauptsächlich Eltern, Ärzte und Lehrer – hatten es satt, von großen Energieunternehmen abhängig zu sein und sich den Gefahren der Atomkraft zu stellen. Aus Angst um die Gesundheit und Sicherheit der folgenden Generationen waren sie entschlossen, die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen. Nach zehn Jahren harter Arbeit und Engagement war endlich der lang ersehnte Moment gekommen und die Schönauer gründete ihr eigenes, auf Nachhaltigkeit bedachtes Elektrizitätsunternehmen. Was als Idee einer Handvoll Menschen in einer kleinen Stadt begann, ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie man sich Verantwortung und Macht zurückholt, indem man sich weigert, festgefahrene Strukturen zu akzeptieren, die für den Kapitalismus vorteilhafter sind als für die Menschen und die Umwelt. Die Initiatoren der EWS Schönau hießen damals Power Rebels und setzen sich nach wie vor für den weltweiten Ausstieg aus der Kernenergie ein. Heute, mehr als zwei Jahrzehnte nach Beginn der Bewegung, sind sie stolz darauf, ein mehrfach preisgekröntes Energieunternehmen zu sein, das 100% sauberen, erneuerbaren und nachhaltigen Strom produziert und mittlerweile deutschlandweit als Versorger tätig ist.

Patagonias »We The Power«-Kampagne ist ein weiterer Beweis für das langjährige Umweltengagement der Marke, das bis in die frühen 1970er Jahre zurückreicht. Durch eine Reihe wohlkalkulierter und bewusster Entscheidungen, die nicht nur ihren Design-Prozess unterstützen, sondern auch die Stimme in sozialen und ökologischen Fragen erhebt, hat sich Patagonia zu Recht den Respekt von Verbrauchern und Branchenvertretern gleichermaßen erarbeitet. Durch die Produkte und Prinzipien, die die Marke verkörpert, setzt sich Patagonia von ganzem Herzen dafür ein, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

 

Der »We The Power«-Film von Patagonia ist ab sofort auf YouTube zu sehen:

Campaign Page – Main Hub: eu.patagonia.com/wethepower
Campaign Page – Regionale Seiten: eu.patagonia.com/de/de/wethepower/getinvolved/germany
Werde aktiv – Bürgerenergie-Organisationen in deiner Region: www.buendnis-buergerenergie.de/karte
Du möchtest mehr über erneuerbare Energien lernen und erfahren, wie du selbst Teil der Lösung sein kannst? Wir laden am 05. Mai zu einem virtuellen Abend mit Expert*innen aus der Bürgerenergie-Bewegung: wethepowergermany.splashthat.com

 

Visual Content: Patagonia

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