Hip-Hop Homeschooling
mit Caiza
Text: Caiza Andresen
Freunde! Es ist April 2020 und wir sitzen alle in unseren Wohnungen fest. Ich versuche zwar schon seit über einer Woche, mit dem Emily Oberg Fitness-Programm zu beginnen, aber irgendwie klappt es nicht. Ich verbringe die Zeit gerade mit wirklich konzentriertem Arbeiten aus dem Home Office und relativ befriedigenden Versuchen an Fit Pics. Außerdem nutze ich sämtliche Streaming-Plattformen. Ich habe vor kurzem wieder begonnen Vinyl zu hören und muss zur Zeit vllt sogar etwas mehr betonen, wie sehr ich Hip-Hop liebe. Ich habe zu jeder Vinyl von mir eine Erinnerung, die mich geprägt hat. Um also den kompletten realen Flash zu bekommen, wagte ich mich an fünf Netflix-Dokus und sage euch nun, was ich davon halte.
»Hip-Hop Evolution«
© HBO / Netflix
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Behämmerter Name, aber meine Herren, was eine Doku! Diese großartige Doku entspringt den HBO Studios, was ja schon als Qualitätsgarant zu sehen ist. Vier Jahre gibt es die Serie inzwischen mit vier Staffeln a vier Folgen. Das Ganze ist relativ chronologisch aufgebaut, beginnt also mit der heiligen Dreifaltigkeit Kool Herc, Afrika Bambaataa und Grandmaster Flash in der South Bronx. Ich werde jetzt nicht auf alle Folgen eingehen, aber es gibt definitiv einige, die für mich herausstechen:
»New York State of Mind« (Staffel 2 – Episode 4)
Es geht um Nas. Ich liebe Nas und jeder, der behauptet, dass Illmatic nicht ein Meisterwerk ist, der soll die Schnauze halten. In dieser Folge erhält man einen Einbick in den Entstehungsprozess dieses Meilensteins der Populärkultur. Q-Tip dabei zuzuhören, wie er erzählt, dass er und die anderen Produzenten sich gegenseitig ihre Beats für Nas vorspielten, sorgt für Gänsehaut. Kein Spaß.
»Pass the Mic« (Staffel 3 – Episode 3)
Ich habe mich immer für sehr real gehalten und entsprechend viel Rawkus gehört. Das »I Rawkus NY«-Shirt, das Savas im »That Smut« Video der Smut Peddlaz trägt, hüte ich bis heute wie einen Schatz. Apropos King of Rap, bzw. Westberlin Maskulin: Weiter geht‘s in dieser Folge ins Goodlife Cafe in LA und nachdem ich mir mal bewusst Freestyle Fellowship angehört habe, verstehe ich Taktloss endlich noch mehr.
»Bounce to this« (Staffel 4 – Epsiode 1)
Ich war immer stark Eastcoast- oder Westcoast-geprägt in meiner Jugend und habe den Zugang zum Dirty South erst über Crunk gefunden. In dieser Folge geht es nun um Master P und No Limit Records. Das »Ice Cream Man« Album hatte ich jedoch und habe es gefeiert, aber tiefer ging das nicht. Später aber habe ich eine große Faszination für den Süden entwickelt und da passt diese Folge perfekt. Ich liebe es einfach, zu sehen, wie Typen aus der Hood Geld verdienen. Wenn es im späteren Teil dann noch um Cash Money Records und darum, dass die Hot Boyz eigentlich nur eine Boy Band seien, geht, ist alles vorbei. Meine Lieblingsstelle ist allerdings die, in der Mannie Fresh von seinem Vater erzählt, der weiland (ich wollte dieses Wort schon immer mal benutzen) der Größte Hip-Hop DJ seiner Stadt war. Geiler Side Fact auch, dass früher jeder Hit bei denen auch gleichzeitig ein Tanz war. Werde safe demnächst den »Gangster Walk« tanzen.
»The Southern Lab« (Staffel 4 – Episode 2)
Es geht nach Texas. Es geht um Codein (Shoutout Kai Pflaume) und Rap. DJ Screw liefert mit seinen »Chopped n Screwed« Tapes den perfekten Soundtrack zum Opiat-Missbrauch, um die ganze Scheiße zu vergessen. Tragisch und unfassbar faszinierend.
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»Rapture«
© HBO / Netflix
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»Rapture« beschäftigt sich mit dem Leben eines Hip-Hop-Stars, dem privaten Umfeld und der Familie. Es gibt Episoden mit T.I., Just Blaze, G-Eazy, Logic, Nas, Large Professor und einigen anderen. Obwohl ich »No Limit« von G-Eazy liebe (allerdings wegen des Cardi B Parts), würde ich mir niemals eine Dokumentation über ihn anschauen. Also habe ich mit T.I. begonnen. Just Blaze sieht auch sehr gut aus. Die Folge über T.I. behandelt seine Aktivitäten in der Black Lives Matter Bewegung. Um uns seinem Einfluss über andere bewusst zu werden begleiten wir T.I. u.a. zu einem Gespräch mit Harry Belafonte und erfahren mehr über die Bürgerrechtsbewegung. Sehr interessant, sehr inspirierend, leider nicht soviel Hip-Hop-Bezug wie ich ihn mir wünsche.
Just Blaze und Nas trotzdem ein Muss.
»The Defiant Ones«
© HBO / Netflix
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HBO. Regie: Allen Hughes (Manace II Society). Dr. Dre. Jimmy Iovine. Und als Gäste dabei: Bruce Springsteen, Puff Daddy, Trent Reznor, Ice Cube, Eminem, Tom Petty und die verdammte Göttin Stevie Nicks! Alle in einer Doku, bzw. vier Folgen. Die Serie behandelt die Partnerschaft des legendären Dr. Dre und Jimmy Iovine, dem Gründer von Interscope Records (Eminem, Lady Gaga, Madonna, Nine Inch Nails, 50 Cent,…). Natürlich wissen wir alle, dass diese beiden Herren durch den Verkauf von Beats an Apple inzwischen Milliardäre sind, aber das »Wie kam es dazu?« ist unglaublich interessant und schön anzusehen. Besonders die Business-Aspekte sind faszinierend, aber ey: Don‘t hate the player. Hate the game.
Kurze Frage: Hasst ihr es auch so sehr, dass Netflix statt anständiger Cover immer seltsame Fotos verwendet? Jedenfalls gibt es viele verschiedene Cover zur Doku, unter Anderem ein Portraitbild von Marilyn Manson.
»Travis Scott – Look Mom, I Can Fly«
© Netflix
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Hier nun eine Dokumentation über einen der größten aktuellen Weltstars des Rap. Travis Scott ist ein Phänomen und macht Musik, die weltweit gefeiert wird. Alles, was der Typ anfasst, egal ob Schuhe oder Frühstücks-Cerealien wird instantly ein Must-Have für jeden jungen Menschen, aber am Ende des Tages ist dieser Film eine »1,5h Aneinaderreihung von 15sek Insta Story Highlights«. Ich habe noch nie einen Menschen so oft irgendwo runterspringen sehen wie Travis Scott in dieser Dokumentation…. Ich passe.
Aber hier noch kurz die Gedanken meiner guten Freundin @dilaythecreator (folgt ihr):
»Die Dokumentation zeigt im Grunde, dass Travis Scott der beste Performer unserer Zeit ist. Seine Fanbase besteht aus Leuten, die auf seinen Shows alles rauslassen können. Er bindet seine Audience immer mit ein, was zeigt, dass es nicht einfach ein gewöhnlicher Auftritt ist, sondern, dass wir alle mehr oder weniger zusammengehören.«
Vielleicht ist die Doku unter dem Betrachtungswinkel doch einen weiteren Blick wert…
Bonus: Screenshot eines meiner längsten und besten Freunde mit dem ich seit 16 Jahren über Hip-Hop rede. Shoutout!
»Lil Peep – Everybody’s Everything«
© Gunpowder&Sky
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Der Lil Peep-Zug ist komplett an mir vorbeigegangen, aber ich habe schon die Trauer mitbekommen, die in vielen jungen Leuten aufkam, als er 2017 starb. Das von seinem Großvater gesprochene Intro ist herzzereißend. Genauso sieht man die Freude in den Gesichtern aller Leute (Lil Peeps Ex-Freundin, Ghostmane, Juicy J, …), die in Erinnerungen an Peep schwelgen.
Von allen Filmen ist dies vielleicht die persönlichste Dokumentation, da komplett auf die Gefühle und Ängste des Protagonisten eingegangen wird. Der Film ist traurig und es macht einen fertig, das Leiden eines Menschen zu sehen, der nicht dem »typischen Rapper« entspricht. Man könnte argumentieren, dass Hip-Hop schon immer Ausdruck für soziale Missstände war und es hier nun um emotionale Missstände geht. Es ist schön zu sehen, dass junge Menschen aus allen Bevölkerungsschichten Hip-Hop nutzen, um ihre Gefühle auszudrücken und damit so viele andere Menschen erreichen und denen das Gefühl geben, verstanden zu werden.
Mein Homegirl @uglysxgirl (folgt ihr bei Instagram) hat in einer Voicemail, in der ich sie um ein Statement zu ihrer Begeisterung für Lil Peep fragte, Folgendes geantwortet:
»Lil Peep war jemand, dem man sehr nah sein konnte. Auf Konzerten. Man hat sich gefühlt wie in einer Familie, wenn man seine Aussagen gehört hat. >Redet mit euren Freunden. Gebt euch Halt<. Aus diesem Grund wurde er so gefeiert. Die Texte, wie er die Welt sieht… Und musikalisch war alles so neu. Aber vor allem der Kontakt zu seinen Fans war das Beste.«
Mein Fazit: Zuwenig „klassischer Hip-Hop“ für hängengebliebene, alte Männer wie mich, dafür eine Charakterstudie über einen sehr emotionalen jungen Mann, der einfach nur für jeden da sein bzw. »Everybody’s Everything« sein wollte.
Ich hoffe, dass ich euch mit dieser Auswahl etwas helfen konnte, damit die Langeweile euch nicht fertig macht. Kurz vor Redaktionsschluss kam übrigens von meinem Bruder der Tipp, dass es nun eine Dokumentation über Mr.Cartoon und Estevan Oriol bei Netflix gibt. Das solltet ihr euch vllt auch anschauen.
Bleibt gesund und telefoniert viel mit eurer Familie und Freunden.
Peace,
Caiza
Visual Content – Illustrationen: V.Raeter