Hood Movies
Von der Mattscheibe in den Kleiderschrank
Text: Caiza Andresen
Ich wuchs in den Neunziger Jahren auf und für die meisten von uns, die zu dieser Zeit ihre ersten Berührungen mit der tollsten Kultur aller Zeiten (Hip Hop) hatten, gab es eine ganz besondere Wissensquelle, die dir dabei half, diese Kultur noch einen Funken besser zu verstehen: Hood Movies. Man kann lange darüber diskutieren, was dieses Genre definiert. Der Kumpel Wikipedia sagt, dass Hood Movies sich mit den Problemen junger Menschen und ihrem Erwachsenwerden in einem Umfeld aus Gewalt und Armut beschäftigen, primär mit einem afro-amerikanischen oder hispanischen Background. Hip Hop, Drogenmissbrauch, Rassismus, Gewalt, das sind präsente Themen. Natürlich folgt nicht jeder Hood Film dieser Formel und man darf defintiv nicht »Exoten« wie HASS (Frankreich), TSOTSI (Süd-Afrika), KIDULTHOOD (UK), KANAK ATTACK (Deutschland) oder den unfassbaren CITY OF GOD (Brasilien) vergessen. Zu einer Zeit vor Youtube und in der das deutsche Fernsehen keine Musikvideos unserer Rap-Helden spielte, nutzte man Gelegenheiten wie den Flohmarkt, um an VHS wie HOT BOYZ (in den Hauptrollen Silkk the Shocker, Snoop Dogg und Mystikal), TALES FROM THE HOOD (der Soundtrack enthält den allerbesten Spice 1-Song: Born 2 Die) oder ORIGINAL GANGSTAS (Hauptrollen: Pam Grier, Fred Williamson, Shyheim) zu kommen.
Ich glaube, dass die meisten sich daran erinnern, was für einen großen Einfluss das erste Mal MENACE II SOCIETY und BOYZ N THE HOOD auf sie hatten. Jeder wollte plötzlich Flanell und Dickies. Ich habe mir TRESPASS mit Ice Cube angesehen und umgehend begonnen, mich komplett in Schwarz zu kleiden. Dazu eine Ballonmütze meiner Schwester. Niemand hat mehr Stil als die Cash Money Brothers, die nicht nur das ganze Carter Building unter ihre Kontrolle brachten, sondern den gesamten Rotten Apple mit Crack fluteten bis Mario Van Peebles und Ice-T sich ihnen in den Weg stellten. Hilfe bekamen sie von Pookie, dem von Chris Rock gespielten Crack-Junkie. Pookie trägt in einer besonders dramatischen Szene, in der er sich entschließt wieder Crack zu rauchen, ein Hemd mit der US-Flagge drauf. Die Szene ist ikonisch. Ich denke jedes Mal daran, wenn ich meine Ralph Lauren All Over US-Flaggen-Strickjacke anziehe. Die meisten VHS kaufte ich wegen der Namen der Rapper, die mitspielten. Aber sie erzählten Geschichten, von denen ich mir nicht vorstellen konnte, dass sowas möglich wäre: Drive-by-Shootings, Morde am hellichten Tag. Plötzlich sah ich das, worüber meine Helden rappten. Wovon sie berichteten.
Habt ihr jemals NEW JERSEY DRIVE gesehen? Diese Carhartt-Outfits… Ich könnte Bücher mit Gedanken über Hood Movies füllen. Oder vllt auch einen Podcast… Spoiler. Alleine über die Outfits zu reden könnte Tage dauern. Aber aus diesem Grund habe ich eine kleine Liste zusammengestellt. Die Filme sind gut und die Outfits erst recht.
NEW JACK CITY
© Warner Bros. Entertainment
Kommt schon… Seidenhemden und Kangol Mützen… Trainingsanzüge und Beeper. Wesley Snipes isst auf eine so bedrohliche Art eine Banane… NEW JACK CITY machte nicht nur Ice-T zu einem Filmstar, sondern zeigte auch, dass Chris Rock mehr als nur ein lustiger Typ ist. Punktabzüge gibt es für die New Jack Swing Songs im Soundtrack. Das ist sogar für mich zu weich und ich höre Pretty Ricky.
CITY OF GOD
© MIRAMAX
»Ich bin jetzt ein Playboy.« Dieser vom charmanten Bené gesprochene Satz, nachdem er seit hart verdientes Drogengeld für Hawaii-Hemden und kurze Shorts ausgegeben hat, ist einfach ikonisch. Wenn jemals jemand versucht euch wegen eurer Klamottenwahl anzuficken, dann sagt einfach, dass ihr jetzt ein Playboy seid. Der Film spielt in den Siebziger Jahren in Brasilien, aber zeigt, wie sehr die dortige Jugend auf ein luxuriöses Leben hofft und auch bereit ist, sich dieses mit Gewalt zu holen. Die Party-Szene, bei der Kung Fu Fighting läuft, ist pures Gold.
BELLY
© Artisan Entertainment
Dieser von Hype Williams gedrehte Film ist ein »Shiny Suit, Bad Boy-Era«-Musikvideo in Filmlänge. In den Hauptrollen übrigens Nas und DMX. Williams zeigt in der Ästhetik eines Mase-Videos, wie es Ende der 1990er Jahre in New York aussah. Und es war rough…
NEW JERSEY DRIVE
© Gramercy Pictures
Komplett unterschätzter Film. In den Hauptrollen: Carhartt-Beanies und Autos. Erzählt wird die tragische Geschichte einiger Freunde, die ihre Freizeit mit Autodiebstahl verbringen. Das ist einfach ein 1994er Nas Song zum anschauen.
ORIGINAL GANGSTAS
© Orion Pictures Corporation
Tommy Hilfiger, Stirnbänder, bunte Windbreaker, Kangol. So sieht’s aus. Schiesswütige Psychopathen töten einen unschuldigen Jungen. Unglücklicherweise ist er der Sohn von Pam Grier (Ich habe sie ürbigens mal getroffen. Neidisch? Ja, seid ihr.), die alles daran setzt, die Mörder zur Strecke zu bringen. Unterstützt wird sie dabei von einer Riege alter Blaxploitation Stars: Richard Roundtree, Jim Brown, Ron O’Neal und Fred Williamson. Checkt bitte die Outfits von Dru Down (Da Luniz) und Shyheim.
PAID IN FULL
© MIRAMAX
Dieser Film spielt im Harlem der 1980er zur Zeit des Aufkommens von Crack und Hip Hop. Ace, der Protagonist nutzt sein hart verdientes Geld nicht etwa, um sich die flysten Klamotten zu kaufen (Truckercaps sind wack.), aber seine Freunde Mitch und Rico… Oida. Alleine die Szene, in der Mitch nachts nach Hause kommt, seinen Schmuck abnimmt und fein säuberlich neben dem Bett deponiert… Oh, und der Drogendealer, der die Schwester von Ace datet – bitte checkt seine Cazal Brille!
Auch, wenn ich sie oben schon angesprochen habe hier noch einmal zu den GOATs: MENACE II SOCIETY und BOYZ IN THE HOOD. Der erstere 1993 und der zweitere 1991 released. Sie sind sehr unterschiedlich, was daher kommen mag, dass BOYZ N THE HOOD die Tür für Hood Movies öffnete. MENACE II SOCIETY ist sehr viel rougher, noch hoffnungsloser und meiner Meinung nach besser. BOYZ N THE HOOD hat Klamotten-technisch noch einen gewissen Achtziger-Vibe, wohingegen MENACE die volle Mid-90s Gangsta Rap-Ästhetik zeigt. Wifebeater, Dickies, Carhartt, Ben Davis, Locs (das sind Sonnenbrillen, ihr Amateure…).
© New Line Cinema
© Columbia Pictures
Die Logos und Bilder aus diesen beiden Filmen fand man schon oft auf verschiedenen Kleidungsstücken, bspw. bei Starter oder Supreme. Diese Filme haben nicht nur die Filmindustrie geprägt, sondern auch Hip Hop und wie wir Hip Hop sehen und verstehen.
Übrigens haben mein geschätzter HHV-Journal-Mitblogger Sebastian Nicu und ich vor kurzem einen Podcast gestartet, der eigentlich von Mode handelt, aber im Grunde genommen von allem handelt. Und Mode. Wir haben uns hingesetzt und über Hood Movies geredet. Wenn ihr Inspiration zum Einsteigen in das Thema braucht, dann hört mal rein in die neueste Episode DRESS RELIEF, den Podcast mit @kicksinthehall und @schwaboswissenwerderbaboist. Und folgt uns bei Instagram: @dressrelief.podcast.