HHV Clothing
Die Problematik mit dem Deskriptor „urban“
Words: Phoebe Myers
In letzter Zeit verabschieden sich mehr und mehr Brands wie auch Institutionen von dem Begriff „urban“ – HHV nun auch. Warum? Weil es „irgendwie rassistisch“ ist, klar, aber angenommen man hielte dir eine Waffe an die Schläfe und dein Leben hinge davon ab eine wörtliche Definition des Wortes „Urban“ abzugeben, würdest du es lebend rausschaffen? Wahrscheinlich nicht. Zumindest würden wir es nicht tun.
Ähnlich wie bei dem Wort Karamell scheint niemand so recht zu wissen, was urban tatsächlich bedeutet, und doch hat jeder eine allgemeine Vorstellung davon, was als urban gilt. Sei es ein bestimmter Sound oder ein gewisses Aussehen… Auch wenn nur vage erscheint vor dem inneren Auge ein Bild, nicht wahr? Über besagtes Bild, seine Geschichte und darüber, warum wir uns daran stören wollen wir sprechen.
Aber fangen wir mal ganz von vorne an. Was bedeutet “urban” denn eigentlich wirklich?
Das Wort urban leitet sich vom lateinischen Wort urbanas ab und bedeutet “Stadt” oder alles, was damit zusammenhängt, doch im Laufe der Jahre hat es eine Reihe von neuen Definitionen erhalten. Einige verwenden es als „modisch“, andere als Ersatz für „cool“, doch das wahrscheinlich geläufigste Verständnis des Wortes ist „schwarz“. Dies hängt mit amerikanischen Sanierungsprojekten wie dem Urban Renewal Program des Housing Acts aus den 50er und 60er Jahren zusammen. Im Rahmen dieser Programme wurden vernachlässigte Gebiete in Innenstädten geräumt, wobei die Häuser von meist schwarzen und braunen Menschen ins Visier genommen wurden. Aus diesem Grund wurden die Begriffe “urban” und “schwarz” im Volksmund bald austauschbar verwendet, was sich auch in der Musikindustrie der 70er fortsetzte. Wenn man sich vielleicht von der anrüchigen, kruden Bezeichnung “schwarz” fernhalten wollte, kam sein salonfähiges, subtileres Pendant “urban” zu Gute, und so wurde das Wort schnell zu einem häufig verwendeten Euphemismus für schwarze Musik, Künstler*innen und Interpreten*innen.
Denn “Urban Contemporary Music” klingt doch so viel… ansprechender, oder?
Nach Aussagen von Musikmanagern und Radiomoderatoren, ja: Sie und andere Akteure im Musikgeschäft waren durchaus abgeneigt, das Wort fallen zu lassen, schließlich tänzelte es die Linie zwischen blankem Rassismus und kommerziellem Marketing-Jargon wie kein zweites. Laut ihnen machte die Umschreibung schwarze Künstler*innen und deren Musik absatzfähiger für bigotte Werbeagenturen und verdaubarerer für ein verklemmtes, weißes Publikum. Schwarze Musiker*innen in dem xenophoben Amerika der 70er ungeniert genießen? Gar rühmen? Nein, das ginge entschieden zu weit. Doch das Tanzbein zu den ultrahippen Klängen des fast schon romantisch klingenden Genres „Urban Contemporary“ zu schwingen, zeugte beinahe von erlesenem Geschmack, hatte fast schon etwas elitäres. Schließlich verschleierte die abstrahierende Bezeichnung die unmittelbare Nähe zum „Schwarzen“, entfremdete seine Kunst und macht sie so für rassistische Frömmler schmackhaft.
Natürlich dauerte es nicht lange, bis auch die Modewelt das neue Lieblingsschlagwort der Musikmarketer aufgriff: Streetwear, ein Stil, der das Leben, die Einstellung und die Ästhetik von Städten (mit tiefen Wurzeln in der afroamerikanischen Kultur und Geschichte) widerspiegelte, wurde dementsprechend auch als urban eingestuft, aber dieses Mal war die Verwendung des Wortes sogar angemessen und tatsächlich nachvollziehbar – zumindest oberflächlich betrachtet. Letztendlich umfasst „urban“ laut seiner ursprünglichen Definition alles, was mit Städten zu tun hat. Urban Style oder urbane Kleidung wurden somit zum Synonym für Streetwear doch leider verließ der Begriff seinen wahrscheinlich einzig passenden Rahmen und wurde als verallgemeinernde Deskription für schwarze Künstler*innen und Designer*innen in der Modesphäre verwendet – auch wenn ihre Arbeiten nichts mit Straßenkultur zu tun hatten. Obwohl es sich um einen faulen, aufgrund seiner Nähe zur schwarzen Existenz mit schädlichen Stereotypen und negativen Konnotationen behafteten Pauschalbegriff handelte, behauptete sich der Begriff in jeder Branche, in der er verwendet wurde, und wurde zum diplomatischen Deckmantel für rassistische Bündelung. Von der Masse akzeptiert, Stimmen der Missbilligung zu sehr in den Hintergrund gedrängt, um gehört zu werden.
Mit seiner ursprüngliche Bedeutung fast vollständig verloren, fühlt sich die heutige Verwendung des Wortes “urban” als Deskriptor in Mode, Kunst und Musik gelinde gesagt… unangenehm an, und dieses Unbehagen ist zu spürbar geworden, um darüber hinwegzusehen, vor allem in letzten Jahren, in denen die Black-Lives-Matter-Bewegung an Fahrt aufgenommen hat. Das Wort ist zum Gegenstand einer wohlverdienten Untersuchung geworden, und der Diskurs darüber hat einer größeren Diskussion über Sprache, ihrer unaufhaltbaren, endlosen Weiterentwicklung und die Anpassungen, die diese Veränderungen erfordern, Platz gemacht.
Sprache ist wichtig, und das gilt auch für ihre Konnotationen.
Das ist etwas, was wir gelernt und anerkannt haben. Es gibt keine Trennung zwischen Wort, Geschichte und seiner gesellschaftlichen Bedeutung, selbst wenn diese Bedeutung nicht mit der ursprünglichen Definition übereinstimmt. Man kann ein Wort, das in dem Ausmaß, wie es bei „urban“ der Fall ist, instrumentalisiert, politisiert und rassifiziert wurde, nicht einfach von seinen Implikationen befreien, um Ideen zu vermitteln, die bereits durch den rassistischen Missbrauch des Wortes getrübt wurden.
Etwas als urban zu bezeichnen, marginalisiert schwarze und braune Menschen, stopft sie aus Bequemlichkeit in abwertende, unpassende Schubladen und schafft Grenzen, wo es keine geben sollte.
Aus diesem Grund haben wir beschlossen, den Namen unserer Bekleidungsabteilung von HHV Urban Fashion in HHV Clothing zu ändern. Das ist nicht nur umfassender, sondern angesichts der oben genannten Tatsachen angebrachter denn der Begriff “Urban” kann unserer Meinung nach einfach nicht mehr in diesem Zusammenhang verwendet werden.
Es reicht nicht aus, Rassismus lediglich zu denunzieren oder Besserung zu schwören. Ohne zu lernen, zuzuhören und das begangene Unrecht zu beheben, gibt es keine Verbesserung, kein Wachsen und keine Heilung.
Entdecke HHV Clothing online und im Store.