OrSlow
Langsam und mit Bedacht kommt man ans Ziel –
Die Herkunft und Reise von OrSlow
Text & Interview: Ali George Hinkins
Geschichte wiederholt sich – aus gutem Grund. Wir wissen, dass japanische Modemarken seit jeher ihre Inspirationen aus einer Vielzahl von Quellen, besonders amerikanischen Ivy League-Style, Militär- und Arbeitsbekleidung und Sportswear, beziehen. Es gibt viele Brands, die diesem geschichtlichen Anspruch folgen, aber unser Interesse gilt hier nun speziell einer Marke: OrSlow.
2005 von Ichiro Nakatsu gegründet, verfolgt OrSlow eine Vision und Herangehensweise, die das Gegenteil der heutigen Industrie zu sein scheint: Wie schon der Name suggeriert, gehen sie den Schaffensprozess langsam an. Wie man schon sagt: »Langsam und mit Bedacht kommt man ans Ziel«. Auch, wenn OrSlow gerade erst 16 Jahre alt ist, so spürt man doch die Jahrhunderte alte japanische Handwerkskunst, in diesem Fall kombiniert mit alten Herstellungstechniken, die jedoch auf modernen Stoffen angewandt werden. Ichiro Nakatsus Marke sticht aus der heutigen schnelllebigen Industrie heraus, indem sie sich nicht einem Kalender und den üblichen Deadlines der Industrie unterordnet. Sich Zeit zu lassen ist das, was sich am Ende auszahlt.


Anstatt lediglich alte Designs, wie bspw. eine Levi‘s Jeans aus den 50ern zu duplizieren, nutzt OrSlow diesen zeitlosen Klassiker als Vorlage für ein Kleidungsstück, das die Vergangenheit auf stilvolle und einzigartige Weise ehrt. Das eigene umfassende Archiv an Vintage Militär- und Arbeitsbekleidung ermöglicht es Nakatsu, sich jederzeit auf die oft komplizieren Herstellungsverfahren vergangener Jahrzehnte zu beziehen. Ihm ist bewusst, dass man die Vergangenheit nur dann in Ehre halten kann, wenn man sie richtig versteht. Seinen Durst nach Wissen diesbezüglich stillte er schon früh mit regelmäßigen Besuchen des America-Mura (American Village) in Osaka, wo er auf alte Schätze traf und sich mit Fabrikbesitzern in Kurashiki austauschte, die weiterhin Reece, Singer und Union Special Nähmaschinen nutzten. Allein diese drei Namen lassen Denim-Liebhaber aufhorchen. Das so gesammelte Wissen garantiert das Erschaffen von Kleidung, die die Geschichte des Kleidungsstückes an sich ehrt, ohne Kompromisse einzugehen.


Seit seinen Beginnen ist OrSlow in Nishinomiya, vor den Toren von Osaka angesiedelt. Da dort auch Ichiros Wurzeln liegen, sind sowohl diese, als auch das Wesen der Stadt wichtiger Bestandteil der Brand. Die verwendenden Farben und Stoffe spiegeln die Umgebung und den Geist der dortigen Bewohner wieder.
In den letzten Jahrzehnten wurde zusehends der schädliche Einfluss der Modeindustrie auf unseren Planeten erkannt, denn lediglich dieser Bereich hat einen CO2-Fußabdruck, der größer ist als der von internationalen Flügen und Frachtlieferungen kombiniert. Die Modeindustrie ist somit für 20% der industriellen Wasserverschwendung und für 35% der Mikroplastik-Verschmutzung verantwortlich. Besonders in den letzten Jahren konnten wir jedoch einen Ruck in Richtung Sustainability beobachten – Ein Überdenken des alten Konsummusters setzte ein.
Nach dem Motto »Kaufe weniger, aber besser«, welches ziemlich selbsterklärend ist, änderten viele Konsumenten ihre Einstellung und wandten sich vom unüberlegten Konsum ab und fokussierten sich stattdessen auf den Kauf von hochwertig gefertigten Kleidungsstücken – ebensolchen, wie sie Nakatsus Marke produziert. Haltbarkeit ist einer der Grundpfeiler des Konzepts der Nachhaltigkeit.
Ihr geschmackvoller Ansatz, klassische Kleidungsstücke neu zu interpretieren, brachte OrSlow über die Jahre eine begeisterte Käuferschaft ein, deren Verlangen nach hochklassigen Materialien, zeitlosen Styles und herausragender Haltbarkeit für sie das Hauptaugenmerk ist.
Produktnamen wie »Used 60s Denim Jacket« oder »40s Coverall«, bringen es genau auf den Punkt: Keine unnötige Selbstdarstellung, denn das Produkt spricht für sich. Allein die Jahreszahlen im Produktnamen machen eines deutlich: OrSlow Produkte sind designt, um der Zeit standzuhalten. Die Jahreszahlen stehen aber für viel mehr, nämlich für eine Geschichte, in die der Käufer eintauchen kann, um sich mit der Historie, der ursprünglichen Funktion und der heutigen Interpretation des Kleidungsstückes auseinanderzusetzen. Nur diese kleinen Zahlen weisen auf so viel mehr hin. Mit dieser Wertschätzung der Vergangenheit wird schnell die Leidenschaft deutlich, die in jedes einzelne Stück einfließt und das ist es, was den meisten modernen Marken fehlt.
HHV führt nun eine aussagekräftige Auswahl an OrSlow Teilen, wie etwa die US Army Fatigue Pants, 5-Pocket Denim Jeans und die »105« Standard Denim, sowie verschiedene Hemden oder die New Yorker Pants. OrSlows Interpretation der US Army Fatigue Pants lässt Vintage-Aficionados und jeden, »der Bescheid weiß« aufhorchen. Geschneidert in Japan aus 100% japanischem Baumwoll-Satin, erinnern sie an die Originalstoffe amerikanischer Armee-Hosen, jedoch mit einer geschmeidigeren Erscheinung. Sie sind ausgestattet mit vielen funktionalen Designelementen, wie bspw. einer »Four-Pocket Construction«, oder einem Bund mit Knopfverschluss mit tonalem Stitching.
Auch uns als Mode-Enthusiasten werden Herausforderungen des Umweltschutzes immer bewusster und wir sehnen uns deshalb nach Alternativen zum traditionellen System der Industrie. Und hier kommt OrSlow ins Spiel. Um uns noch etwas tiefer mit der Materie auseinanderzusetzen, nutzten wir die Gelegenheit um mit dem Kopf hinter dem Brand, Ichiro Nakatsu, zu sprechen und seinen Gedanken zu einer Post-COVID Modelandschaft, Vintage Workwear und Sustainability zu lauschen.
Ali George Hinkins: Diese Frage mag etwas schwerfällig wirken, aber was genau ist die Bestimmung von OrSlow? Was steckt hinter der Kleidung und der Vision?
Ichiro Nakatsu: Ich möchte mit möglichst vielen Menschen meine Erfahrungen und meine Gefühle für Vintage Workwear teilen. Vintage ist komplett anders als die heutige, auf Masse-produzierte Kleidung. Das Material, das Design und der Nähprozess sind komplett unterschiedlich. Es ist ein schwieriger Prozess, Vintage-Style Mode zu produzieren, aber ich bin mir sicher, dass wenn ich es richtig hinkriege, der Käufer bemerkt, dass OrSlow Kleidungsstücke etwas Besonderes sind. Ich glaube, dass man es fühlt, so wie ich es fühle, wenn ich Vintage-Bekleidung sehe.
AGH: Durch den Fokus auf Handwerk und das Verwenden hochwertiger Materialien schafft OrSlow es, langlebige Kleidung zu produzieren. Ist OrSlow sich der Nachhaltigkeit jedes einzelnen Produktes bewusst?
IN: Ich orientiere mich beim Design an Vintage Pieces, die ich selbst trage und trage natürlich auch meine eigenen Produkte, bevor wir sie zur Produktion freigeben. Da wir einige Produkte seit längerer Zeit produzieren, kommt es auch vor, dass wir kleine Änderungen am Design durchführen. Das Kleidungsstück wird also über die Zeit verbessert. Saisonale Pieces sind Originaldesigns mit neueren Produktionsprozessen, aber auch hier achten wir auf Perfektion bevor wir sie verkaufen.
AGH: Was genau ist es, was dich an Vintage Workwear und Militärbekleidung fasziniert? Schließlich kann man diese zwei Modezweige als Mittelpunkt von OrSlow sehen. Und hast du einen Lieblingsspot zum Vintage Shopping?
IN: Ich lasse mich von Kleidung aus den frühen 1900ern bis zu den 1990ern inspirieren. Mein besonderes Augenmerk liegt auf Mode aus den 1970ern. Bis zur Mitte der 1970er war Casual Style kein eigener Style an sich, sondern eine Kombination aus Workwear, Military Clothing und Sportbekleidung. Diesen Stil liebe ich und mich fasziniert, wie die Kleidung damals hergestellt wurde. Zwar wurde damals alles in Massenproduktion gefertigt, aber die Materialien und selbst die Nähte sind einzigartig. Zum Kauf von Vintage Gear nutze ich das Internet oder besuche Vintage Stores in Osaka, Kobe, Tokyo und anderen Städten. In Japan sind solche Geschäfte sehr verbreitet.
AGH: Wird die Modeindustrie sich Post-COVID verändern? Musste OrSlow sich den unvorhersehbaren Änderungen anpassen?
IN: Durch COVID wurde vielen Menschen die Möglichkeit genommen das Haus zu verlassen und Mode so richtig zu genießen. Andererseits glaube ich, dass nach COVID das Verlangen danach, auszugehen, essen zu gehen und der Spaß an Mode noch steigen werden. Ich hoffe, dass sich die Modeindustrie als Ganzes ändern wird. Ich habe früher in Paris und New York meine Kollektionen ausgestellt, aber da das Reisen in Zeiten der Pandemie sehr eingeschränkt war, musste ich das nun online tun. Abgesehen davon hat sich für uns nichts geändert.
OrSlow ist jetzt bei HHV erhältlich: OrSlow | HHV
Visual Content: Daniel Tran