Stüssy – Eine viel zu kurze Geschichtsstunde
Text: Caiza Andresen
Geboren in den Achtzigern hat Stüssy die Landschaft der Streetwear maßgeblich verändert. Nein, besser gesagt, geebnet. Vorher gab es das nicht, was damals aufkam. Stüssy wuchs organisch aus Jugendkultur und veränderte gleichzeitig das Mode-Biz.
Shawn Stüssy wollte eigentlich nur eins: Surfen und Boards bauen. Gleichzeitig begann er damit, Shirts zu drucken, als Giveaways zu den Boards, die er an Freunde und Locals in Laguna Beach verkaufte. Unbeabsichtigt war er im Modegeschäft gelandet, durch’s Surfen und Skaten. Durch seine Leidenschaften.
Stüssy formte den Begriff Streetwear / Surfwear / Clubwear / Whatever in einer Zeit der popkulturellen Umbrüche: Nachdem uns die Siebziger Jahre Punk gaben, überraschten uns die Achtziger Jahre mit einem musikalischen Monstrum namens Rap. Punk bedeute, dass plötzlich jeder eine Band haben konnte. Vergessen waren ästhetische Begrenzungen und gefordertes Handwerk am Instrument. Kreativität war der Schlüssel zum Erfolg und wenn nicht zum Erfolg, dann zur Selbstverwirklichung. Rap warf alle sozialen Barrieren über den Haufen und präsentierte der Welt das Sampling. Nimm etwas, was dir gefällt und mach etwas Neues draus. Das war die Spaltung des Atoms für »Streetwear«.
Stüssy ist eine Leinwand. Eine Leinwand für Jugendkultur. Und das ohne in der Beobachter-Position zu stehen. Stüssy ist mittendrin und nimmt aktiv Teil.
Fifties Americana, Dinosaurier, Rasta Symbolik, B-Boy Ästhetik. Was ist das für eine Mischung? Wie klingt das auf Papier? Vollkommen egal. Weil es nicht auf Papier stattfindet, sondern auf einem T-Shirt. Der Leinwand der Jugend. Und Jugend ist weltweit. Ein weltweiter Stamm. Ein Tribe. Der International Stüssy Tribe. Tokyo Chapter. London Chapter. Berlin Chapter. New York Chapter. LA Chapter. Hiroshi Fujiwara, Michael Kopelman, James Jebbia… Die kreativsten Namen unserer Kultur sind ihre ersten Schritte gemeinsam gegangen. Mit dem gekritzelten »S« auf der Brust.
Die limitierten Stückzahlen und die wenigen Shops, die die Brand führten, machten Stüssy zu einem Mythos. Zum vierblättrigen Kleeblatt, zum Topf Gold am Ende des Regenbogens. Zu einer inoffiziellen Eintrittskarte in eine Welt voller Gleichgesinnter. Man musste einen Weg finden, um Stüssy zu bekommen. Und auf dieser Reise wurde man Teil von etwas Größerem.
Durch den Tribe verbreitete sich die Stüssy Philosophie wie ein Lauffeuer. »Es war ein Anti-Fashion Ding«, sagt James Lebon, einer der O.G. Member des Tribes.
Vor Stüssy gab es Comme des Garçons und Gucci. Also High Class Fashion. Und es gab Carhartt WIP. Das war Workwear. Und dann gab es Sportbekleidung: Champion und Hanes. Stüssy nahm all das und erschuf etwas Neues. Punk-Attitüde. Es gibt Leute, die sagen, dass Stüssy quasi das bedruckte T-Shirt erfand. Das kommt nicht ganz hin, aber es wurde neu erfunden. Und all das war nicht kalkuliert. Es kam aus keiner PR-agentur. Es wurde nicht am Reisbrett entworfen. Es war und ist noch heute organisch. Es wuchs natürlich. Überall auf der Welt.
Ohne Stüssy kein Supreme, kein Bathing Ape. Ohne Stüssy nicht das, was heute als Streetwear bekannt ist. Würde man auf Kollabos eingehen, müsste ich hier fünfmal soviel tippen. Und ehrlich gesagt, wartet die Redaktion schon auf meinen Artikel…
Ich erinnere mich an mein erstes Stüssy Kleidungsstück. Es war ein schwarzes T-Shirt mit einer Fliege drauf. Ich werd‘s nie vergessen, weil es mir eine Welt und eine Geschichte erschloss, die mich bis heute fasziniert und in der ich meine Erfüllung gefunden habe. Es hat mir gezeigt, dass ich mich nicht anpassen muss, sondern einfach nach Leuten wie mir suchen muss. Denn wenn es die nicht geben würde, dann gäbe es auch keine Brand wie Stüssy. Wenn du drüber nachdenkst gibt dir das Ganze sogar Hoffnung.
Vergiss, wie scheiße es ist, ein Jugendlicher zu sein. Du musst dich nicht anpassen. Du kannst sein, was du willst. Und durch dieses mit einem kaputten Filzstift auf ein Board gekritzeltes Logo, bist du auf deinem Weg nie alleine.
Ich werde gerade etwas emotional.
Im selben Moment Frage ich mich aber auch, ob dieses seltsame »S«, das früher jedes Mädchen auf ihren Eastpak-Rucksack gemalt hat, wirklich von Stüssy kommt. Wenn dem so sei: Woah. Mind blown. Stüssy IST die Jugend. Artikel zuende.
Fast Forward 2019: Stüssy besinnt sich noch immer auf seine Wurzeln. Auf das Gefühl, das man in den Achtzigern in Laguna Beach spürte. Auf das Gefühl von Freiheit und Unbeschwertheit.
All hail the tribe.
P. S. Erlaubt mir mal mehr als 4000 Zeichen pro Artikel, HHV. Dann lege ich erst richtig los.
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